VDH / DZRR / FCI
 
Bleib mir vom Hals
Gut zweieinhalb Jahre ist es nun her, daß ich, angeregt durch Fotos in einem Buch, für Bahari das erste Brustgeschirr gekauft habe. Nie werde ich meine Empfindungen und Eindrücke bei unserem ersten Geschirrspaziergang vergessen: Plötzlich lief nicht mehr ein "versklavter Hund mit Strick um den Hals" neben mir, vielmehr hatte ich das Gefühl, daß ein freies Tier, frei in seiner Persönlichkeit und Würde, einen gemeinsamen Weg mit mir ging.
Nun, das mag Ihnen als Gefühlsduselei erscheinen, es gibt dafür aber durchaus rationelle Begründungen:
Verhaltensforscher haben durch ihre Beobachtungen an Hunden herausgefunden, daß der Halsbereich eine besonders wichtige Rolle im Sozialverhalten des Hundes spielt. Befreundete Tiere beschnüffeln sich an der Seite des Halses, während bei Auseinandersetzungen ein heftiges "Greifen" in die Kehle oder den Nacken als äußerste Drohgeste gilt und die Tiere sich damit Respekt verschaffen.

Mit dem Anlegen eines Halsbandes begeben wir uns also auf ein sehr sensibles Terrain. Wir Menschen wünschen uns einen Hund, der an lockerer Leine manierlich neben uns herläuft und oftmals wird ein Ruck über die Leine ans Halsband eingesetzt, um dem Hund das Ziehen an der Leine abzugewöhnen und ihn zur sogenannten Leinenführigkeit zu erziehen. Diese Maßnahme kann der Hund so nicht verstehen, da Hunde im sozialen Miteinander keine Leinenführigkeit kennen. Für unseren Hund kommt mit dem Ruck ans Halsband aus seiner Sicht gesehen eine deutliche Drohgebärde von unserer Seite, ohne daß er weiß, warum.
Zu den sozialen Aspekten und Mißverständnissen kommen noch die rein körperlichen Auswirkungen:
Zwar sind die seitlichen Halspartien beim Hund stark bemuskelt, aber Kehlkopf und Luftröhre an der Halsunterseite und die Wirbelsäule an der Oberseite sind schutzlos den Einwirkungen über das Halsband ausgeliefert. Durch ständiges Ziehen und Rucken an der Leine (und ein Ruck entsteht auch jedesmal, wenn der Hund nur plötzlich zum Schnüffeln stehen bleibt), kann es zu Beeinträchtigungen des Kehlkopfes (Kehlkopfquetschung), der oberen Atemwege und der Halswirbelsäule kommen. Der Hund versucht durch ständiges Anspannen der Halsmuskulatur den Druck abzufangen, was Verspannungen, Schwindelgefühl, Kopfschmerzen und Schmerzen in der Wirbelsäule zur Folge haben kann. Vielen Hunden ist auch der Druck auf den Hals, der durch das Ziehen an der Leine entsteht, so unangenehm, daß sie diesem entgehen wollen - dummerweise durch Flucht nach vorne und noch mehr Ziehen.

Ich möchte das gute alte Halsband nun nicht völlig verteufeln; es hat nach wir vor seinen Sinn - bei der Grundausbildung des Hundes. Hier dient das Halsband als Hilfsmittel und sollte entsprechend bewußt und sensibel eingesetzt werden. Steht die Grundausbildung auf sicheren Beinen (oder nimmt man auch den jungen Hund nur mal schnell mit, ohne ihn bei diesem Gang gezielt zu führen) kann man durchaus über die Alternative "Brustgeschirr" nachdenken. Denn mal ehrlich, wie oft arbeiten wir gezielt mit unserem Hund und wie oft geht er angeleint, nur um ihn sicher unter Kontrolle zu haben? Zum Sichern des Hundes ist in meinen Augen nun aber ein Brustgeschirr wesentlich besser geeignet als ein Halsband - oder möchten Sie den Sicherheitsgurt beim Autofahren um den Hals gewickelt haben?
Bahari mit Brustgeschirr
Worauf beim Kauf eines Brustgeschirrs geachtet werden sollte:
  • das Brustgeschirr sollte aus leichtem, weichem und waschbarem Material bestehen und keine scheuernden Nähte oder Enden haben (Nylongeschirr)
  • die Verschlüsse sollten sicher halten, nicht scheuern und der Körperform angepaßt sein (abgerundet)
  • es sollte möglichst viele Verstellmöglichkeiten aufweisen, damit es gut auf den jeweiligen Hund angepaßt werden kann (optimal paßt das Geschirr, wenn zwischen Ellbogen und Brustgurt etwa eine Handbreit Platz ist)